Ernst Föhlich > Zurück aus Hamburg (3)

Zurück aus Hamburg (3)



Habe heute lange und tief geschlafen. Ich hätte gern einen Traum gehabt, einen, der mir in seiner Symbolsprache ein wenig Auskunft über die Dinge gibt, die sich da gerade in mir abspielen. Und sicher habe ich auch geträumt. Doch scheint in mir eine Erschöpfung zu sein, die die Tiefe des Schlafes sucht, aus welcher man ohne Erinnerung auftaucht. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr wird mir bewusst, dass ich nach irgendeiner Botschaft suche, die mir erlaubt, die Gegenwart in ihrem monotonen Dahinsiechen, wie sie mir erscheint, zu verlassen- doch wohin? So wie die Dinge momentan liegen, sind sie nicht berauschend, aber doch weitestgehend sorgenfrei, zumindest wenn man Sorgen auf existentiell bedrohliche Gefährdungen bezieht. Da sind zwar offene Fragen, doch keine, die einen in Verzweiflung stürzen dürfte. Immerhin, ich bin irgendwie wieder angekommen in Berlin, auch in meinen Gedanken und Gefühlen. Aber da ich gerade in so einer Nullphase bin, in der noch nicht klar ist, wie die nächsten Schritte sich entwickeln und die Phantasie nur Angebote macht, die mir momentan unrealistisch erscheinen, spüre ich so eine Unruhe, ein Warten und Tasten nach einem Anknüpfungspunkt. Die innere Stimme schweigt, das darüber liegende tut sich eher nervend kund mit Bildern und Gefühlen, die mit der Aktualität so gar nichts zu tun haben. Vergangenheit, die längst als abgearbeitet gilt, rumort in unzulässiger Weise; Menschen, die längst vergessen haben, dass ich bin, fordern Recht auf Aufenthalt in meinem Bewusstsein und Wünsche erklären, sie seien von höchster Priorität und unaufschiebbar und drohen, dass sie sich nie erfüllen werden, wenn bis zum Abend oder spätestens morgen nicht die große Erlösung eintritt. Warum sind alte Gefühle in derselben stressigen Art immer wieder neu und geben sich auch mit einem Geltungsanspruch und im Gewand der Originalität, als wären sie gerade erst geboren worden? Ich weigere mich, mir noch so einen Untag zu gestatten und bin zu dem Entschluss gekommen, mich einem exzessiven Currywurstgenuss hinzugeben, die nun mal in Berlin definitiv die besten sind (sofern man die richtigen Stände kennt) und erwarte einen großen Glückshormonschub. Und vielleicht klappt es dann ja auch mit den Träumen wieder.

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