Ernst Föhlich > KG und die Südsee

KG und die Südsee



KG ist in der Südsee und ich darf nicht neidisch werden. Da fragt man sich, wie weit es noch her ist mit den Witzen über Musiker. Besonders Jazz- Musiker, von denen man ja in jeder zweiten Mülltonne einen finden soll und der den Arzt auf die Diagnose hin, er hätte nur noch sechs Wochen zu leben, nur fragen kann: „wovon denn?“. Nein, heute haben die Südsee- Engagements. Alle Jazz- Musiker? Weiß nicht, jedenfalls KG. Und da KG der einzige Vollzeitjazzmusiker ist, den ich näher kenne, ist er also für meinen Blickwinkel repräsentativ für diese Berufsgruppe
Hätte ich davon im Mai erfahren, ich hätte mich mit dem bevorstehenden abendländischen Sommer getröstet und haufenweise Gründe dafür gefunden, weshalb es nur nervig sein kann, auf einem Luxusschiff irgendwelchen überfütterten, gelangweilten Senioren ohne Musikverständnis Abend für


Abend die Zeit zu verjodeln. Ja im Mai würde ich sämtliche Klischeeregister und Allgemeinplätze bedienen um mich dessen zu vergewissern, dass hier sein angenehmer ist als dort, wo KG jetzt herumtreibt. Doch leider ist Januar, der Himmel ist grau und die Luft feuchtkühl. Aber man hört ja viel von Stress, wenn Menschen es lange auf engem Raum miteinander aushalten müssen. Bestimmt sind die Musiker untereinander längst zerstritten, unter den Gästen ist nicht eine attraktive Frau unter fünfzig und jeden Abend muss er wenigstens drei Mal den Holzmichel spielen, der ja soo lustig ist und das Herz jedes Rentners nach dem vierten Bier tief erfreut. Der Kapitän ist ein narzistischer Tyrann und der erste Offizier sowieso total von sich eingenommen und hat nur Verachtung für Schiffsmusiker übrig.
Armer KG. Jetzt hängt er auf hoher See herum, einsam, traurig und seekrank, zählt die Tage bis zur Rückkehr und weiß nicht, wie er die verbleibende Zeit überstehen soll. Nur Masochisten können auf Jazzmusiker mit Südseeengagement neidisch sein.


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